Ein Universum zerschnittener Kreise?

zu Bildern von Beate Sandor
von Birgit Schwaner


Suchen wir? Suchen wir noch immer, Anhaltspunkte? Gibt es diesen Zustand noch? - Inmitten kapitaler optischer Bedrängungen, schnellem Auf- und Untertauchen von Bildern, die von Plakaten, Monitoren, ja, aus Zeitungen, von T-Shirts und Schachteln, Dosen usw. ins Auge - fast möcht«man sagen: knallen, schießen... wird der Mensch, der sich angeblich durch sein Bedürfnis nach Sinn, kausaler Begründung und Illusion auszeichnet, zum gejagtesten aller (von ihm mit Maschinen gejagten) Tiere. Könnte man sagen. Pauschal. Subjektiv. In einem Moment, in dem die Entdeckung, dass man nicht nur versuchen will, die müden Augen zu schließen, sondern fragt, verstehen, sehen will, als Sensation spürbar ist.


Eine schon verloren geglaubte Sensation des Freiraums von Blick und Gedanken. Erreicht ein Kunstwerk, dass es so betrachtet wird, ist die heute vielleicht schwierigste - erste Hürde genommen. Durch Reduktion, also Konzentration. Im Fall der Arbeiten von Beate Sandor handelt es sich um die Reduktion auf wenige Farben und eine einzige Form, Elementarform: den Kreis. Mit anderen Worten: Der Kreis, der schon zu Zeiten Py thagoras«als Symbol der Vollkommenheit, des Ganzen, Gelungenen (und Göttlichen) galt und der in der Pop-Art der 60er, 70er Jahre zum Zeichen einer unbefangenen, "runden" Sinnlichkeit wurde, dient der 1964 geborenen Malerin als Motiv und Anlass unaufhšrlicher Variation. Die auf seiner Fragmentierung beruht.


In Serien, ständig neuen Kombinationen von Kreisen bzw. "Kreisnetzen" (wie sie sagt), entwirft Beate Sandor - im Rekurs auf Op- und Pop-Art - ihre Bilder. Die auf Betrachter zunächst wie Ausschnitte aus unendlich sich ausbreitenden Mustern wirken. Wobei man von einem scheinbar "gesetzmäßigen Wuchern" der Formen reden müsste, einer seltsamen Atmosphäre zwischen Strenge und Verspieltheit, die hier großformatig entsteht, oder wiederentsteht, im Sehen. Und nicht nur seitlich die Bildränder zu überborden scheint: Auch die Farbfelder - bedingt durch die Verwendung oft komplementärer, durch weiße Grenzlinien voneinander getrennter Farben - springen perspektivisch vor und zurück, vexieren die illusive, dritte Dimension: Muster, also... aus Ornamenten, organischen Formen, Hieroglyphen, in Vergessenheit geratenen Symbolen, die Bekanntem ähneln?


Die Lesart der Bilder ist subjektib variabel, da das Gezeigte zwischen den Attributen "erkennbar", ähnlich zu " und "fremd", "nicht dechiffrierbar" balanciert. Es gibt hier Flächen, die an archaische Zeichen erinnern, andere ähneln Fischen, Vögeln, Blüten, Schriftfragmenten oder Formationen, wie man sie unterm Mikroskop eines Biologen findet. Ein Paradox, aber: Mit der Hand gemalt provozieren diese Bilder die Erinnerung an die Gegenwart. Lassen im Abrücken, im angehaltenen "Schauen" u.a. den Gedanken aufkommen, dass wir in einer Epoche Leben, in der (zumindest im Denken) die Grenzen zwischen Organischem und Künstlichem aufgehoben werden, wie die zwischen Natur, Kunst und Technik, Mensch und Maschine, Gegnstand und Abstraktion.


Vielleicht bleibt bald nur die Perspektive, Existierendes ästhetisch zu erfassen, diverse Variationen von Daseinmustern... und die Menschen: vielleicht Variationen zerschnittener Kreise, Träume, fragmentierter Wünsche, Utopien, die zusammengewachsen sind und eine sonderbare Eigendynamik entwickeln, mal explodierend, mal langsam sich ausdehnend. Alles wäre formal denkbar - außer dem Ganzen. Außer dem Kreis. Aber dies ist nur eine von vielen Arten, die Bilder Beate Sandors zu betrachten. Oder: sich von ihnen betrachten zu lassen. Und in dem Freiraum, den sie ermöglichen, Betrachtungen wuchern zu lassen. Oder: zu suchen.


Zu den Abbildungen von Beate Sandor:

Oben: "A Little Crash", 1999, Acryl auf Leinwand 180 x 180 cm.

Links: "Das Orakel", 1999, Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm

Rechts: "Univers", 1999, Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm

Mehr über Beate Sandor finden Sie auf Ihrer Homepage: https://www.beatesandor.com